Gerechtigkeit

Was die Gerechtigkeit von der Liebe unterscheidet, ist gerade dies: daß in der Situation der Gerechtigkeit die Menschen einander als getrennt „Andere“, fast als Fremde gegenübertreten. […] Gerechtigkeit heißt: den Anderen als Anderen gelten lassen; es heißt: da anerkennen, wo man nicht lieben kann. Gerechtigkeit sagt: es gibt den Anderen, der nicht ist wie ich und dem dennoch das Seinige zusteht. Der Gerechte ist dadurch gerecht, daß er den Anderen in seinem Anderssein bestätigt und ihm zu dem verhilft, was ihm zusteht.

Josef Pieper – deutscher Philosoph (1904-1997), aus „Über die Gerechtigkeit“, Kapitel II (1953)