Hilfe und Selbsthilfe

Wohlan, der Feind hat uns durch Gottes Verhängnis Gift und tödliche Krankheit herein geschickt, so will ich zu Gott bitten, daß er uns gnädig sei und wehre. Danach will ich auch räuchern, die Luft reinigen helfen, Arznei geben und nehmen. Orte und Personen meiden, da man meiner nicht bedarf, auf daß ich mich selbst nicht verwahrlose und dazu durch mich vielleicht viele andere vergiften und anstecken und ihnen so durch meine Nachlässigkeit Ursache des Todes sein möchte. […]
Wo aber mein Nächster mein bedarf, will ich weder Orte noch Personen meiden, sondern frei zu ihm gehen und helfen, wie oben gesagt ist. Siehe, das ist ein rechter, gottesfürchtiger Glaube, der nicht dummkühn noch frech ist und auch Gott nicht versucht.

Martin Luther – deutscher Reformator (1483-1546), aus dem Brief „Ob man vor dem Sterben fliehen möge“ an Johann Hess über den Ausbruch der Pest in Wittenberg (1527), erschienen in „D. Martin Luthers Werke: Kritische Gesamtausgabe“ (Weimarer Ausgabe, Band 23: „Predigten und Schriften 1527“, 1901)