Seine erste Firmengründung – 16jährig – ist ein Flop. Drei Jahre später verkauft er Ideen für Firmengründungen – ein Hit. Norman Rentrop ist ein Macher erster Güte, der mit Lust am kalkulierten Risiko gegen den Strom schwimmt. Und ein Verleger , der sich mit 33 aufgrund seines selbst erwirtschafteten Umsatzes schon zur Ruhe setzen könnte. Was er natürlich nicht tut.
Buchmarkt 12/91
Er sei nicht gerade der Typ, den er als traditionellen Buchverleger bezeichnen und schätzen würde, sagt ein frei mitarbeitender Autor, aber er sei äußerst fair und gradlinig, was die Abwicklung des Geschäfts angehe. Was sich bei der gehobenen Verlegerschaft nicht immer von selbst verstehen würde.
Er lebt nur für seinen Job und arbeitet rund um die Uhr, sagt ein langjähriger Mitarbeiter.
Ein Workaholic, dessen Frau auch noch ironischerweise diesem Thema eine Studie gewidmet hat; von diesem Sujet ist die Presse (er hat – von Cosmopolitan über FAZ bis Playboy – etliche Auftritte gehabt) immer angetan.
Klischees werden gern bemüht, wenn sie schön passen; einer, der mit 33 innerhalb von 15 Jahren einen Verlag mit ca. 160 Mitarbeitern allein hochgezogen hat, kann nur Arbeitsbesessener und Schlitzohr zugleich sein. Vor allem, da er mit dem Weiterverkauf von Ideen sein Geld macht.
Das stimmt schon, nur ist alles zugleich auch anders bei Norman Rentrop.
„Ich habe ein ebensolches Ethos wie beispielsweise die Belletristikverleger“, sagt er und zuckt bedauernd die Schultern, „nur daß ich mit meinem Namen nicht für die Rezeption intelligenter Phantasien, sondern für die Realisierung guter Geschäftsideen und unternehmerischer Beratung im Alltag stehe. Aber als klassischer Verleger übertrage ich eine Botschaft an eine Zielgruppe, die gar nicht so klein ist“.
Er sieht sich daher auch in einem deutlichen Gegensatz zu dem artverwandt produzierten Weka-Chef Werner Mützel (255 Millionen Mark Umsatz), der einmal in der Wirtschaftswoche geäußert habe, sein Ehrgeiz beschränke sich darauf, bedrucktes Papier zu verkaufen.
Weiter mit den Klischees: Das Rund-um-die-Uhr-Arbeiten geht für Rentrop am liebsten erst um zwölf Uhr mittags los. Er ist passionierter Langschläfer, der früher seine Mitarbeiter mit entsprechenden Annoncen („Schlafen Sie gern lange?“) suchte und erst in letzter Zeit schon um neun im Büro zu treffen ist, da sein elf Monate alter Sohn Richard ihn mit kräftigem Krähen aus dem nahegelegenen Haus ins Verlagsdomizil treibt.
Freizeit gibt es ebenfalls. Sie wird mit Skilaufen oder Golfen ausgefüllt. Seit etlichen Jahren schon nimmt der Godesberger am traditionellen Verleger-Golfturnier während der Frankfurter Buchmesse teil, hat allerdings noch nie die Trophäe „Das silberne Buch“ in Empfang nehmen können. „Wer gewinnt, ist der Ausrichter des nächsten Turniers. Das ist aber“, erklärt Rentrop, „keinesfalls der Grund, weshalb ich noch nie gewonnen habe, sondern eher mein auf 14 verschlechtertes Handicap.“
Ein Zeichen wiederum, daß es mit der Freizeit so aufregend nicht sein kann. Das ginge auch gar nicht, denn „die Mission“, des Norman Rentrop lautet, sich und der übrigen im Geiste verwandten Welt zu zeigen, daß man etwas bewegen, Dinge beeinflussen kann. Über seine Keimzelle „Die Geschäftsidee“, die Unternehmenskonzepte en gros und en detail als „publizistische Berater“ verkauft, ist er von seinem Anspruch her längst hinausgewachsen.
Ansatzweise läßt sich ein Geschäft mit den Ideen auch in konkreten Zahlen ausdrücken: Sozusagen schlüsselfertige, auf alle Schwachstellen hin abgeklopfte Unternehmenskonzepte (wie Badminton-Center oder Stoff-Shop) sind bereits an die 200mal durch die Rentrop-Zeitschrift, die als Lizenz auch in Europa die Runde macht, publiziert worden, daneben ca. 3.000 Geschäftsideen in Kurzform. Ca. 30 Branchen-Berufsbilder (Arzt, Ingenieur) sind bereits durch Bücher transportiert und sein Loseblatt-Werk „Der Werbeberater“ hat – so schätzt der Verleger – an die 1.500 Werbeideen produziert.
Im Gegensatz zu Verlagen wie Econ, Gabler, Haufe, die mit Management-Literatur die angestellten Führungskräfte bedienen, versorgt Rentrop Leute, die selbständig werden oder bleiben wollen, als „multiplizierter Berater“ in allen ihren Bedürfnissen.
Regelrecht funkensprühend mit vollem Körpereinsatz reagiert der geübte Rhetoriker aber erst dann, wenn es um besondere Herausforderungen geht. Gewohnheitsmäßiges außer Kraft zu setzen, wie zum Beispiel Behörden- und Verordnungsstrukturen auszuhebeln. Neue Wege zu finden („Sozialabgaben braucht man nicht unbedingt so hinzunehmen – genau wie bei der Steuer kann man durch geschickte Gestaltung mehr für seine Mitarbeiter und sich erreichen“) und sich selbst stets zu beweisen, daß „alles machbar ist, wenn man es nur richtig durchdenkt und vorbereitet“, ist ein Lebenselixier, Spaß und Kraftprobe zugleich.
Er sieht sich selbst als sehr eigen geprägter Nachfahr der 68er Bewegung, die dann in der Alternativbewegung mündete und alles, was mit Kapital und Wirtschaft zu tun hatte, als konservativ bis kriminell verurteilte. Rentrop: „Da hat sich sofort bei mir Widerspruch eingestellt: Wie kann etwas total negativ sein, was Spaß macht?“ Seine Botschaft: Mit Köpfchen und Kreativität die eigene Welt zu verändern. Anders zu sein als andere („Man kommt nur an den Ursprung der Quelle, wenn man gegen den Strom schwimmt“). Eben sein wie er.
Diese „Macherqualitäten“ sind wohl familienbedingt. Sein Großvater war einer der ersten zugelassenen Wirtschaftsprüfer in Köln, der damals die Treuhandgesellschaft seines Professors Schmalenbach übernahm, sein Vater übt die gleiche Profession heute noch in Bad Godesberg aus. Sohn Norman schien anfangs eher zum Journalismus zu tendieren; nach Schülerzeitung und Engagement bei der „Bonner Rundschau“ bekam der 16jährige Lokalreporter im Nebenjob aber schon Lust, ein eigenes Anzeigenblatt auf die Beine zu stellen. Doch zwei Verleger gingen (damals) noch cleverer vor: Sie besorgten sich ein bereits markterprobtes Blatt aus Süddeutschland, gingen damit auf Anzeigenakquisition durch das gerade zwangseingemeindete Godesberg, um bei den Unternehmen regionalpolitisches Engagement hervorzulocken. Obwohl Rentrop und seinen Partner die Geschichte damals 10.000 Mark kostete, ist er heute noch hingerissen von der Vorgehensweise der Konkurrenz: „Die brauchten keine Nullnummer noch sonstiges vorzufinanzieren, da sie erst mit den bereits vorhandenen Anzeigenaufträgen zu mehreren Druckern gingen und sich dann den günstigsten genommen haben, der seine Rechnung erst nach Anzeigenfakturierung bezahlt sehen wollte. Mit 500 Mark ein Anzeigenblatt aufgebaut, unglaublich.“
Norman Rentrop versuchte es eben mit etwas anderem, einer Prospektverteilagentur. Das lief – im wahrsten Sinne des Wortes. Und half ihm auch später weiter, als er bei einem Schüleraustausch in England auf eine US-Zeitschrift (heutiger Titel „Entrepreneur-Magazine“) stieß. Der inzwischen 18jährige kaufte das Konzept und beteiligte sich sogar später an dem amerikanischen Unternehmen („Gezahlt habe ich aber mehr als einen Dollar“). Seine deutsche Variante hieß „Die Geschäftsidee“, die vom Küchentisch aus gestartet wurde und in ihrer ersten Ausgabe zwei Unternehmenskonzepte vorstellte; eines davon war eine Prospektverteilagentur.
Ausgehend von der Tatsache, daß, erstens, Existenzgründer immer wieder nachwachsen und, zweitens, bereits Selbständige nicht nur in vielen Bereichen Beratung brauchen, sondern vielfach Multi-Unternehmer mit unterschiedlichen Firmen sind, hat Norman Rentrop ein breites Publikumsnetz von Büchern, Newslettern, Zeitschriften, Loseblattwerken angelegt, deren Ursprung sich zumeist in dem riesigen Ideenarchiv des Verlages vollzieht. Dort wird alles unter einem Stichwort – vom Bio-Supermarkt bis zum Windel-Waschservice – registriert und mit Querverweisen gespickt; so läßt sich jederzeit kontrollieren, ob es bereits einen Caféhausbetrieb mit integriertem Rattan-Möbelverkauf gibt oder nicht und man dergestalt wieder mit einer variierten Geschäftsidee auf den Markt kommen kann.
Angst, daß ihm selbst die Ideen ausgehen? Der Verleger, der übrigens wie vor ihm Thomas Grundmann in der Region an der Spitze des Bundesverbandes Junger Unternehmer stand, mutet das seltsam an. Jede Idee läßt sich schließlich unterschiedlich analysieren, interpretieren, kombinieren etc. Zumal in diesen Zeiten des politischen Großreinemachens sich gesellschaftliche Strukturen wie Märkte permanent wandeln, der Informations- und Beratungsbedarf mithin steigt (nicht nur seine eigenhändig geschriebenen „Tips zur Unternehmensgründung“ laufen – in mittlerweile 10. Auflage – in den neuen Bundesländern wie geschmiert).
Zudem besteht die Funktion des Verlages auch nicht darin, originärer Ideenproduzent zu sein, sondern mit der „Strategie der innovativen Imitation“ zu arbeiten. Das bedeutet, daß Ideen aufgenommen, bearbeitet und weitergegeben werden. Und mittlerweile sind es auch eine Reihe von Mitarbeitern, die landauf, landab nach erfolgversprechenden Vorlagen fahnden. Mit der eigenen Entwicklung in 15 Jahren ganz zufrieden, bilanziert Rentrop, daß die Zahl der Unternehmensgründungen sich seit 1975 verdoppelt habe und die Zahl der Selbständigen wieder deutlich im Steigen begriffen sei – ohne die Verhältnisse im östlichen Teil Deutschlands, die eine ganz eigene Dynamik haben, eingerechnet.
Seine momentane Einschätzung: „Gesellschaftliche Strukturen und Lebensweisen werden immer differenzierter, multifunktionaler. Auf der einen Seite immer mehr Freizeit, auf der anderen Seite mehr Freisetzung von Aktivität. Wem es Spaß macht, zuzulangen, der hat goldene Zeiten vor sich.“