Der Bonner Verleger Norman Rentrop im Redaktionsgespräch zu Steuerreform und Selbständigkeit in Deutschland: Norman Rentrop schätzt, daß er mit der „Geschäftsidee“ und seinen weiteren 59 Periodika an einer halben Million Firmengründungen beteiligt war. Seine Idee: die „publizistische Beratung selbständiger Unternehmer“.
Rhein-Zeitung 30. November 98
Haben Leute, die sich selbständig machen in Deutschland, noch eine Zukunft?
Auf jeden Fall. Die Welt wird immer komplexer. Gerade für Deutschland als rohstoffarmes Land, ein Land mit viel Geist-Kapital, stellen sich in den nächsten Jahren enorme Herausforderungen. Wann immer Umbrüche zu erleben sind, hat sich gezeigt, daß diejenigen die Umbrüche am besten meistern können, die mit unternehmerischen Ansätzen herangegangen sind. Deshalb glaube ich, daß wir in Deutschland mehr Unternehmer denn je brauchen.
Ist denn der Standort Deutschland fit für die Zukunft?
Fit … Ich habe mich früher selber oft gefragt: Ist das eigentlich richtig, so lange Schulzeiten, so lange Studienzeiten. Ich bin aber inzwischen zu der Erkenntnis gekommen, daß uns eins wirklich auszeichnet: die Bereitschaft, auszubilden, die Bereitschaft, auch in Geistkapital zu investieren. Und das gibt mir die Zuversicht, daß, egal, wieviel Über-Besteuerung und Über-Regulierung wir haben, Deutschland immer eine Zukunft haben wird.
Im Moment wird viel diskutiert über die sogenannte Steuerreform die die neue Regierung vorgelegt hat. Ist ein erfolgreicher Unternehmer wie Sie mit dem, was da vorgelegt wird, zufrieden?
Nein.
Warum nicht?
Für mich ist an dem Grundübel Über-Besteuerung und Über-Regulierung keine Abhilfe geschaffen worden. Ich war sehr enttäuscht, daß nach all den Vorsätzen und Anläufen für mich sich der Eindruck einstellte: Es kreißte der Berg und gebar ein Mäuschen.
Was müßte getan werden?
Eine radikale Vereinfachung. Ich erlebe heute, daß Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mir sagen: Unsere eigene Steuererklärung können wir nicht mehr selber machen, weil wir uns innerhalb unserer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungspraxis auf dieses oder jenes Feld konzentriert haben, aber die Steuergesetze einfach nicht mehr nachhalten können.
Sie sind ein Anhänger der marktwirtschaftlichen Ideen von Ludwig Erhard. Er wollte eine freie und soziale Marktwirtschaft. Beide Begriffe sind wichtig. Haben wir sie noch in Deutschland?
Leider nein.
Was muß getan werden, um sie wieder hinzukriegen?
Der Staatsanteil an unserem Bruttosozialprodukt ist über 50 Prozent gewesen. Da ist für mich die Grenze, wo der Übergang von der Marktwirtschaft in eine Staatswirtschaft ist. Die Frage ist doch einfach: Ist unser Organisationsmodell, wie wir uns selber organisieren, das richtige? Ist es so, daß tatsächlich der Staat Aufgaben besser macht, als sie Selbständige machen?
Also anders als Herr Lafontaine würden Sie eher für Privatisierung plädieren, statt für das Nachvornedrehen rückwärtsgewandter Ideen?
Richtig. Die Zukunft bringt schnellere Veränderungen mit sich. Und Private haben immer bewiesen, daß sie besser mit schnellen Veränderungen zurechtkommen.
Anderes Thema: Kann man sagen, daß Sie immer dann, wenn Sie ein eigenes unternehmerisches Problem hatten, dazu passend eine neue Publikation auf den Markt gebracht haben?
Ja. Ich fühle mich als Verleger. Dinge, die ich aus eigener Anschauung erlebe, geben einen hervorragenden Stoff her für neue Publikationen. Ich habe mich schwarz geärgert, als mein PC nicht so tat, wie ich wollte. So entstand der PC-Pannenhelfer.
Sie leben von Trends. Nehmen Sie die alle aus Amerika?
Wir schauen über den Kirchturm hinaus. Die Weltwirtschaft wächst zusammen. Wir holen uns natürlich Anregungen aus den USA, aus Japan, aus den anderen Wirtschaftsnationen dieser Welt. Wir tragen aber auch unsere eigenen Ideen in die USA, in mehrere Länder des Ostblocks. Es kommt nicht darauf an, die beste Idee in Deutschland zu finden, sondern die beste Idee auf der Welt zu finden. Die finden wir im Internet, auf Messen und Ausstellungen, in Zeitungen und Zeitschriften, durch Beobachten, durch Rausfahren.
Das Interview führten Martin Lohmann und Anja Freitag-Koch