Geschichten von denen, die es geschafft haben.
Axel Gloger
Wer dem Geld nachjagt, vertreibt es. Wer viel Geld besitzen will und das zu seinem Ziel macht, hat anschließend die Last, es zu verwalten.
“Die Menschen, die ich kenne, die viel Geld haben und sich dafür interessieren, sind nicht sehr glücklich damit”, hat Erich Sixt festgestellt.
Was macht die Millionäre glücklich, liebe Leserin, lieber Leser? Wir haben diese Frage an verschiedenen Stellen angebracht, und haben eigentlich immer eine Antwort bekommen, wie sie auch Erich Sixt geben würde. Man kann mit viel Geld einiges machen, aber man kann sich damit offensichtlich kein persönliches Glück bereiten. “Nein, das geht nicht”, sagt der Münchner Unternehmer nachhaltig dazu; er verweist auf die Freude, die ein schöner Sonnenuntergang zu bereiten in der Lage ist oder Gespräche mit Freunden. All das ist nicht käuflich, auch nicht mit den Mitteln, über die ein reichlich besser als der Durchschnitt ausgestatteter Mensch gebietet.
Sich die Freude eines Besuchs im Biergarten zu verschaffen, verlangt nicht die Mittel des Millionärs. Der Schatten der Kastanien, so vorhanden, ist kostenlos zu bekommen, und selbst die Biergärten in besseren Lagen verlangen nur Preise, die es auch dem Lebenskünstler und Gelegenheitsarbeiter Hans Pachulke durchaus gestatten, ein- oder zweimal in der Woche eine Maß Bier und einen Leberkäse dortselbst zu verzehren.
Auch viele andere Werte, auf die mich Millionäre ansprachen, haben durchaus wenig mit dem Besitz und der Verfügungsmöglichkeit über Geld zu tun. Den meisten ist ihre Familie wichtig, sie schaffen es auf ihre Art, Zeit für ihre Nächsten zu haben. An sich sind die Ehen, die die Vielbeschäftigten führen, nicht gerade einfache Beziehungen – aber eine stabile Beziehung zu einem Partner habe ich sehr oft angetroffen. Viele blickten auf zwanzig, dreißig oder noch mehr Jahre Eheleben zurück, und so viel läßt sich sagen: In den Millionärskreisen, die mir zugänglich waren, besteht durchaus eine hohe Neigung zu Familien mit vielen Nachkommen. Jost Stollmann hat fünf Kinder, Klaus Conrad hat ebenfalls fünf Kinder, Benedikt Taschen vier, Erich Sixt und Nicolas Hayek je zwei.
Was den Lebensgenuß mehrt, ist offensichtlich eine gute Mischung aus starkem beruflichem Engagement auf der einen Seite und ein wohldosiertes Maß an außerberuflichen Freuden, die nichts mit Geld, Macht und Einfluß zu tun haben, auf der anderen Seite. Auf Beides nicht verzichten zu müssen, schafft bei den hier Portraitierten das, was in der Summe als Lebensqualität zu bezeichnen wäre. Niemand von denen, die ich getroffen habe, wäre noch darauf angewiesen gewesen, sein berufliches Engagement fortzusetzen. Bei allen hätten die Mittel bei weitem ausgereicht, um sofort aus allem auszusteigen und ein Leben ohne Arbeit, sagen wir am Südufer des Genfersees zu führen.
Zugegeben, einige in der Vergangenheit zu Erfolg und Vermögen gekommene Millionäre tun das auch, aber von diesen ist an dieser Stelle nichts zu berichten, weil sie ihre Schaffenskraft, Kreativität und Intelligenz nicht mehr dafür einsetzen, in großen Kreisen noch etwas für andere Menschen zu bewirken.
Es scheint dieses Moment der Dualität zwischen Beruf und Familie zu sein, was die hier Vorgestellten weiter an der Spitze eines Unternehmens hält – denn Erwerbsarbeit hat weder Erich Sixt noch Jost Stollmann noch Klaus Conrad nötig. Die Unternehmer und die Ihren wären bestens versorgt, wenn die Firma verkauft würde und sich der Mann an der Spitze auf das Privatisieren zurückzieht. Aber er tut es nicht, vielleicht gerade weil er von den Nöten frei ist, einer Erwerbsarbeit nachgehen zu müssen.
Wir werden gespannt sein, was die Zukunft dem Gründer von Compunet bringen wird. Er hat das von ihm geschaffene Werk zu hundert Prozent verkauft, ist nunmehr angestellter Vorstandsvorsitzender und hat durch den Verkauf ein Millionenvermögen erworben, das ihm und den Seinen auch ohne Arbeit lange Zeit ein geregeltes Auskommen geben könnte.
Was hat der Angestellte in seinem Berufsleben? Er ist abhängig beschäftigt, steht auf der Gehaltsliste seines Arbeitgebers, mit Rentenansprüchen, Tarifurlaub und Kündigungsschutz. All das haben die Millionäre nicht, sie brauchen es auch nicht mehr. Soweit sie ihr Unternehmen schon in die Lage versetzt hat, frei von Erwerbs- und materiellen Sorgen zu sein, hat das Unternehmertum den Charakter eines Spiels bekommen: Es ist das Gewinnenwollen, das die Machertypen vorantreibt. Sie wollen jeden Tag einen kleinen Sieg sehen, den natürlich nur die eigene Firma ihnen zu zeigen in der Lage ist. Der Wunsch nach mehr Siegen mobilisiert die Kräfte, und mehr noch die selbsterlebte, am eigenen Leib verspürte Niederlage. Wer, wenn nicht die Unternehmer, spüren auch den Mißerfolg so tief? Im Falle, daß es wirklich schlimm kommt, verlieren sie die ganze Existenz, vollständig. Damit einhergehen kann die Vernichtung großer Vermögen, die dann von einem Tag auf den anderen ins Nichts zerfallen. Der Angestellte, auch der, der ein Unternehmen leitet, verliert allenfalls seinen Job, wenn etwas schiefgeht. Beim Unternehmer ist es wirklich die Existenz, die seine und die der Familie, die dahingeht. Das mag erklären, warum Unternehmer auch im Falle des Gelingens mehr verdienen können als ein Angestellter – wer seine Sache als Inhaber richtig macht, dem sind auch bei der Bildung des Vermögens weniger Grenzen gesetzt als bei den Beziehern von Tariflöhnen und Angestelltengehältern.
Wofür werden die Vermögen eingesetzt? Wir haben viele Fälle beobachtet, wo alles wieder in die Firma gesteckt wird. Das heißt dann “konservative Entnahmepolitik”, was am Ende dem weiteren Gedeihen, der Solidität und den Mitarbeitern des Unternehmens zugute kommt.
Norman Rentrop zum Beispiel, der heute über einen dreistelligen Millionenumsatz gebietet, hat sich lange wenig gegönnt. Er trat regelmäßig Flüge in die USA an, weil er sich dort auf Ideensuche für seine Firma begeben konnte und Lizenzrechte für Bücher erwarb. Auf den acht- oder neunstündigen Flügen war er stets mit dem billigsten Ticket unterwegs, was zu bekommen war – weil er sich über die saftigen Preisaufschläge in den komfortableren Klassen der Fluggesellschaften immer ärgerte, und von dem Gedanken geleitet war: Lieber sich in den unbequemen Sitz hineinzwängen, das Geld sparen und in die Firma stecken.
In den USA angekommen, machte er sein Hotelzimmer zur Operationsbasis. Das heißt: Innerhalb weniger Tage, in den Metropolen oft auch in Stunden, war das Hotelzimmer zu einer Art Verlagsquartier geworden, vollgestopft mit neuerworbenen Unterlagen, Stapel auf Stapel. Bücher kaufte er regelmäßig zur Freude der ihn versorgenden Buchhändler gleich koffer- und kistenweise, alles wird gleich an Ort und Stelle ausgewertet, ebenso die Zeitungen, Zeitschriften und Messekataloge.
Wenn der Unternehmer also stets im ersten Haus am Platze wohnt mit den größten verfügbaren Zimmern, dann hat das nichts mit der Sucht nach dem Luxus zu tun – nur das Four Seasons Hotel hat in New York Zimmer, die so groß sind, daß sie die vom Verleger produzierte Materialflut in halbwegs geordneter Form aufzunehmen in der Lage sind.
Norman Rentrop ist amerikanophil, spricht Englisch so gut wie seine Muttersprache und betreibt einen regen Ideenimport von Amerika nach Europa. Deshalb ist er jedes Jahr wochenweise in der Neuen Welt anzutreffen, aber Urlaubsreisen sind diese Trips nicht. Der Mann mutet sich ein Programm zu, das durchzumachen jeden angestellten Manager nach einer Woche zur freiwilligen Kündigung treiben würde. Termine mit amerikanischen Geschäftspartnern und zu Freunden gewordenen Geschäftspartnern von früh bis spät (morgens ab acht Uhr, und bis in den tiefen Abend), manchmal in drei Städten an einem Tag.
Was diesen Unternehmer auszeichnet, wie manch andere hochstehende Wirtschaftsperson, ist seine unglaubliche Belastbarkeit. Manchmal traf ich Rentrop spätabends, war sein soundsovielter Gesprächspartner an diesem Tag, und er war noch in der Lage, mir das Gefühl zu geben, als hätte die ganze Zeit nur diese eine Begegnung im Kopf gehabt.
Wir sehen hier wiederkehrende Macherqualitäten. Helmut Maucher, bis 1997 Chef des Nestlé-Konzerns, hat diese einmal in einer treffenden Selbsteinschätzung für sich formuliert. Er sagte, nach den Gründen seines Erfolgs in einem nicht ganz kleinen Unternehmen befragt:
“Ich bin gesund und habe gute Nerven; ich kann alles essen, in jedem Flugzeug schlafen und jedes Klima ertragen”.1
Maucher meinte, er sei auf keinem Gebiet ein Einstein, aber er bringe – zufällig – die 10, 14, 17 Eigenschaften mit, die eine Allround-Führungsfigur brauche.
Das ist leicht gesagt, aber die Ansammlung dieser Eigenschaften in einer Person ist tatsächlich nicht sehr häufig anzutreffen.
Es ist das Nehmenkönnen, auch das Aufnehmenkönnen, und eine unbedingt positive Denkhaltung, die Menschen weiterbringt und sich und andere zu außergewöhnlichen Erfolgen kommen läßt.
“Positiv denken”, so nennt Rentrop diese Haltung: nicht klagen, den Dingen immer die guten Seiten abgewinnen, Auseinandersetzungen schnell beenden und die Dinge voranbringen.
In seinem Büro hinter dem Schreibtisch sehen wir einen kleinen Bilderrahmen stehen, er präsentiert einfach nur das Wort “Think!”, denke!, und man ist geneigt anzufügen: denk positiv. Das hat er verinnerlicht, er ist Anhänger der Denkart des Altmeisters des positiven Denkens, Dale Carnegie. In seiner Anfangszeit hat sich Rentrop bei Dale Carnegie in die Schule begeben, und sich durch diese Erfahrung in seiner Lebenshaltung bestätigt gesehen: Erfolg hat, wer seine Stärken verstärkt, wer auf Menschen zugeht und wer mit Kritik umgehen kann – Motivation ist wichtiger als Botschaften mit schlechten Gefühlen zu verbreiten.
Mit dieser Haltung läßt sich eine Menge bewegen – Rentrop beschäftigt heute 160 Mitarbeiter und verlegt mehrere Dutzend Zeitschriften. Er ist ein Arbeitsmensch im besten Sinne, er hat sich angewöhnt, seine Zeit bis zur letzten Minute mit Sinnvollem auszufüllen.
Keine Sekunde vergeht in seinem Tag ungenutzt, er ist ein Effizienzfetischist. Gibt es irgendwo eine Unterbrechung, sieht man ihn gleich das Diktiergerät hervorziehen; er spricht allerhand Mitteilungen und Briefe auf das Band. Kaum sitzt er im Auto oder muß irgendwo warten, beginnt er ohne Unterlaß zu telefonieren. Mitreisende einer Busfahrt berichten, daß er auch hier keine Minute ungenutzt verstreichen ließ – er hing sich gleich an sein mitgenommenes tragbares Telefon, um seine Angelegenheiten weiter voranzutreiben. Seine Aufgaben löst er mit unglaublichem Einsatz, an vielen Abenden gehen in seiner Chefetage erst spät die Lichter aus. Wenn sich in Europa der Arbeitstag dem Ende zuneigt, ist an der Ostküste der Vereinigten Staaten gerade der Vormittag herum, an der Westküste haben die Büros gerade aufgemacht. Rentrop folgt dem Tageslauf der Geschäftszeiten um den Globus, wie ein Börsianer, der mit dem Telefon seine Gespräche von einem Börsenplatz zum anderen wandern läßt.
Er hat seine Lektion gelernt, Kommunikation ist oberste Aufgabe eines erfolgreichen Unternehmers; die Nutzung der dafür heute zur Verfügung stehenden Mittel hat er zur Perfektion getrieben.
Mit seinen Produkten hat der Verleger das Leben vieler Menschen verändert. Wenn es diese Berufbezeichnung gäbe, dann würden wir Rentrop als Unternehmermacher bezeichnen. Im Lauf seines mittlerweile über zwanzigjährigen Wirkens hat er den Menschen gezeigt, wie man eine Geschäftsidee findet, eine Firma gründet und diese zum Erfolg führt. Seine unternehmerische Aufgabe hat er darin gesehen, die richtigen Gebrauchsanleitungen für dieses Tun zu finden und zu verbreiten. Sein Erfolg beim Absatz dieser Produkte zeigt, daß dafür ein reger Bedarf besteht: Viele Menschen haben sich, mit seiner Hilfe, ihren kleinen Traum verwirklicht und sich aus dem Dasein eines Tarifangestellten ausgebrochen und haben heute ihr eigenes Unternehmen.
Rentrop hat vielen Menschen im richtigen Moment die richtige Idee für ein Geschäft geliefert – und damit vielleicht mehr getan als mancher Gründungsberater bei einer Industrie und Handelskammer oder einer der vielen selbsternannten Experten, die nie selbst ein Unternehmen geführt haben, aber das Fehlen von Unternehmen oft und lautstark beklagen.
“Machen” scheint eines der Lieblingsschlagworte des Bonner Verlegers zu sein – Mitarbeiter, die mit ihm zusammenarbeiten, werden häufig einfach mit dem Auftrag “einfach machen” auf den Weg geschickt, und wenn er über seine Aufgaben spricht, fällt immer wieder dieses Wort:
“Macher suchen”.
Er sucht Macher, um Macher zu machen: Wer seine Zeitschrift “Die Geschäftsidee” liest, bekommt irgendwann Lust, sich selber auf den Weg zu machen, um die eigene Firma zu gründen. In der Werbung, winzigkleine Millimeteranzeigen in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, heißt das: “Werden Sie Ihr eigener Chef!”. So wird den Zeitungslesern “Die Geschäftsidee” angeboten, durch die Antwort auf eine der Kleinanzeigen sind Viele zu Lesern dieser Unternehmensgründungsrezepte und dann später zu Unternehmern geworden. Oder die kleinen, in ihrem Job frustrierten Angestellten lesen die Rezepte und gefallen sich darin, daß ihnen hier eine Idee vorgeführt wird, mit deren Hilfe sie morgen ins Unternehmerdasein starten könnten – ohne es je zu tun.
Es bleibt unbekannt, wie vielen Unternehmern und Millionären Rentrop mit seinen Veröffentlichungen Geburtshilfe geleistet hat – aber der Wirtschaftsjournalist trifft immer wieder auf bekennende Rentrop-Gründer, in deren Vita eine Idee aus diesem Hause als Ursprung eines neuen Berufsweges zu lokalisieren ist.
Wie beliebt das Spiel mit den Gründungsrezepten inzwischen ist, zeigt die Zahl der Leser der “Geschäftsidee”: Jedes Heft findet einige zehntausend Abnehmer – alles Menschen, die sich mehr als andere dafür interessieren, auf dem Wege des eigenen Unternehmens Millionär zu werden.
Rentrop ist es längst; angefangen hat alles mit kleinsten Mitteln im Schüleralter. Er arbeitete in der Lokalredaktion der Zeitung an seinem Heimatort – sein Ressortchef hatte gerade mitgeholfen, ein neues Unternehmen zu gründen. Es war die Gründerzeit der an die Haushalte gratis verteilten Anzeigenblätter; der Redaktionsleiter war zuvor beteiligt an einer dieser Erfolgsgeschichten, er hatte für einen Unternehmer, der mit 500 D-Mark Startkapital daherkam, ein Anzeigenblatt auf Kiel gelegt.
Die Geschichte faszinierte den Junior-Redakteur Rentrop.
So sehr, daß er sich daran begab, selbst ein Anzeigenblatt aus der Taufe zu heben. Der Detailversessenen wollte es gut und gründlich machen – anders als sein Vorbild nahm er gleich 20.000 D-Mark Startkapital in die Hand, und die Sache ging schief.
Rentrop und sein damaliger Partner hatten sich einige der Nachbargemeinden ausgeguckt, um dort ihr Projekt zu lancieren: Die dortigen Bürger, von der Lokalzeitung bisher vernachlässigt, sollten endlich ihre eigenen Zeitung bekommen. Gratis von Rentrop.
Die beiden jugendlichen Gründer hatten alles vorbereitet. Die Anzeigenkunden konnten sich anhand einer vollständig gedruckten Nullnummer ansehen, was die Leser bekommen sollten. Eine Truppe von Austrägern für das Wochenblättchen war schon angeheuert, alles war für den Tag X im Jahr 1975 vorbereitet, an dem das Blatt zum ersten Mal zu den Lesern kommen sollte.
Aber Rentrop und sein Partner hatten die Rechnung ohne den Platzhirsch gemacht: In der Firmenzentrale des marktbeherrschenden Tageszeitungsverlages hatte man inzwischen entdeckt, daß mit den Anzeigenblättern ein Konkurrenz heranwächst, bei deren Aufkommen man nicht tatenlos zusehen kann. Denn Anzeigenkunden, die in einem Anzeigenblatt inserieren, schalten nicht noch ein zweites Mal in der teureren Tageszeitung, die noch nicht einmal in allen Haushalten gelesen wird.
Der mächtige Konkurrent General-Anzeiger, Jahresumsatz mehrere Millionen D-Mark, holte zum Schlag gegen die 20.000-Mark-Gründer aus: Entweder ihr hört freiwillig sofort auf, oder wir machen euch das Leben schwer, so verstanden die beiden die Botschaft aus der Chefetage der Tageszeitung.
Sich auf eine lange, teure und kräftezehrende Auseinandersetzung mit dem so viel größeren Gegner einzulassen, dazu hatten die beiden jugendlichen Gründer wenig Neigung. Ein Großteil des Geldes, zusammengekratzt aus den Schülerlöhnen der vergangenen Jahre, war schon aufgebraucht. Das Unternehmen strich die Segel, ehe die Fahrt richtig begann.
Was hätten Sie jetzt getan, lieber Leser? Das Geld futsch, die erste Idee, so schön ausgedacht und vorbereitet, den Bach heruntergegangen. Den Kopf in den Sand Stecken, Angestellter werden, die Pläne vom Reichtum begraben?
Nicht mit Rentrop. Im damals 18jährigen war der Kampfgeist erwacht, er wollte sich sein verlorenes Geld so schnell wie möglich wieder zurückholen. 10.000 D-Mark waren sein Anteil an der gescheiterten Firma.
Sein Partner ging nach Idar-Oberstein und versuchte es dort zum zweiten Mal – mit Erfolg, das Geschäft mit den Anzeigenblättern kam in der Edelsteinstadt zum Laufen. Rentrop wollte am alten Ort bleiben. Er nutzte die einmal aufgebaute Truppe von Zeitungsausträgern – und firmierte zur Prospektverteilagentur um. Seine Mitarbeiter steckten allwöchentlich zweimal Prospekte von Edekahändlern, Tankstellen und Getränkemärkten in die Briefkästen von einigen Tausend Haushalten, und an jedem so verbreiteten Prospekt verdiente der Jungunternehmer einen kleinen Pfennigbetrag. Die Summe aller Pfennigbeträge erlaubte es Rentrop bald, sein verlorenes Geld zurückzuverdienen. Er selbst besorgte die Kunden für seine Prospektverteiler, ergänzte die Truppe und fuhr bei Wind und Wetter mit dem Moped über Land, um die Arbeit seiner Verteiler auf den Dörfern zu kontrollieren.
Für einen gerade Volljährigen hatte Rentrop eine Menge erreicht, aber er mochte sich nicht vorstellen, in der Prospektverteilerbranche zu bleiben. Zwar ließen sich mit einer genügend großen Truppe an den Pfennigbeträgen auch Millionen verdienen, aber das bis ans Ende der Tage?
So hatte Rentrop sich das Unternehmerleben nicht vorgestellt. Er begab sich auf den Absprung zu seiner nächsten Idee – in England hatte er eine Firma kennengelernt, die Unternehmenskonzepte in gedruckter Form verbreitete. Diese Methode faszinierte den jungen Deutschen so sehr, daß er die Rechte für Deutschland erwarb und sich daran machte, Unternehmenskonzepte zu verbreiten. Es wurde seine dritte Geschäftsidee innerhalb kurzer Zeit, und es sollte die erfolgreichste werden.
Rentrop verwertete sein unternehmerisches Wissen hier gleich noch einmal – er legte die ersten Nummern einer neuen Zeitschrift auf, Name: “Die Geschäftsidee”. Das Blättchen bestand aus mit der Schreibmaschine geschriebenen Seiten, die hektografiert und zusammengeheftet verbreitet wurden. Hier kam es auf den Inhalt an, nicht auf die Form – das Blatt sollte Gründern alle Informationen liefern, die zum Aufbau des eigenen Unternehmens nötig sind. Die ersten Konzepte waren auch die, die Rentrop selbst schon zur Reife gebracht hatte: Das Anzeigenblatt und die Prospektverteilagentur.
Seine Gründertage fanden noch im Elternhaus statt, wo sich der Junior ein Büro eingerichtet hatte und offensichtlich mit Verständnis und Großzügigkeit rechnen durfte, wenn er das Wohnzimmer schon einmal dafür benutzte, um Lieferanten- oder Mitarbeitergespräche zu führen.
Natürlich war dieses erste, noch provisorische Firmendomizil schnell zu klein geworden; Rentrop hatte bald begonnen, seine “Geschäftsidee” zu professionalisieren und Abonnenten zu werben, indem er Werbebriefe verschickte.
Damit war der Nukleus zu seinem heutigen Verlags- und Versandgeschäft schon gelegt, denn die Grundprinzipien sind geblieben, nur um ein Vielfaches multipliziert worden. Es geht ihm noch immer um das, was er als Credo so beschreibt:
“Wir machen Beratung mit Hilfe der Druckerpresse. Wir wollen Selbständigsein und Eigenverantwortung durch die publizistische Beratung stärken”.
Seine Produkte: “Die Geschäftsidee” und weitere Beratungsliteratur.
All das wird auf dem Postwege verkauft, das heißt: Der Rentrop Verlag verschickt Werbebriefe, die zum Abonnement von einem der Periodika einladen. Die Kunden bestellen per Telefon, per Fax oder per Postkarte. Über sein Versandgeschäft ist Rentrop inzwischen zu einem der größten Kunden bei der Post geworden, jeder hundertste in Deutschland verschickte Werbebrief kommt von Rentrop. (verifizieren)
Diese Form des Geschäfts hat dem Verlag nicht nur Freunde eingetragen. Die Kunden kaufen Jahresabonnements von Beratungszeitschriften, die 200 oder 300 D-Mark im Jahr kosten. Teure Preise, so lautet ein häufig geäußerter Vorwurf. Sicher sind 300 D-Mark für ein Abonnement eine Menge Geld, aber der Wert der Rentrop’schen Produkte bestimmt sich eigentlich weniger aus der Menge bedruckten Papiers, das der Kunde für sein Geld bekommt. Der Trick: Man muß die darin enthaltenen Informationen nutzen! Für jemanden, der alles nur liest, sind 300 D-Mark eine astronomische Summe, aber wer mit Hilfe der Information eine Entscheidung für ein erfolgreiches Geschäft fällen kann, für den war diese Ausgabe eine preiswerte Information. Dennoch wollen die Kritiker nicht verstummen.
Vielleicht liegt das auch daran, daß die Werbung recht marktschreierisch daherkommt. Die Rentrop’schen Werbebriefe quellen über vor Aufrufen, nun doch endlich zu bestellen, und immer wieder werden allerlei Zettel in die Werbebriefe hineingelegt, nach dem Muster “Lesen Sie hier nur, wenn Sie nicht bestellen wollen” oder “Die zehn wichtigsten Gründe, jetzt zu unterschreiben”.
Der Verleger schwört auf diese Methoden. Er ist ein regelrechter Fan von Tests, immer wieder Tests. Eine seiner Aufgaben sieht er in der Suche nach dem noch erfolgreicheren Werbebrief, das ist ein ewiges Rennen: Jeder neue Werbebrief muß gegen alle erfolgreichen Werbebriefe der Vergangenheit antreten, alles ist meßbar, und nur der gewinnt, der noch mehr Kunden anlocken kann.
Dieses Vorgehen wurde immer weiter verfeinert – mit diesem Ergebnis: ein Teil des Publikums kauft bei Rentrop, ein anderer Teil haßt seine Masche.
Aber der Erfolg ist auf des Verlegers Seite. “Die Geschäftsidee” ist nach wie vor das Flaggschiffprodukt des Unternehmermachers, daneben gibt es einige Dutzend Zeitschriften und Loseblattwerke. Die Firma Rentrop kennt eigentlich nur einen Weg: den nach oben. Jedes Jahr sind die Umsätze mit zweistelligen Prozentraten gewachsen; Norman Rentrop war schon in seinen Zwanzigern, als seine Jahrgangskollegen sich noch mit Aushilfsjobs herumdrückten, mehrfacher Umsatzmillionär. Er baute sein Unternehmen sehr zielstrebig aus, immer auf der Suche nach neuen Produkten und neuen Märkten. So ist er inzwischen auch in einigen europäischen Ländern vertreten und in den Vereinigten Staaten – selbst in Rumänien gibt es eine Landesausgabe seiner “Geschäftsidee”, und in den USA gewann er einen der Redenschreiber von Ronald Reagan, der dort die amerikanische Ausgabe seiner Loseblattzeitschrift “Der Reden-Berater” (Titel: “The American Speaker”) produziert. In Irland besitzt der 1957 Geborene eine einflußreiche Tageszeitung, in Deutschland ist er Mitbesitzer des Berliner Fernsehnachrichtenkanals “ntv”, was dem Sender schon den Spitznamen “Norman’s TV” eingetragen hat.
Nicht, daß sich Rentrop einen einfachen Weg gesucht hätte: Neben dem Aufbau seiner Firma absolvierte er erst den Wehrdienst, dann trat er ein Studium der Betriebswirtschaft an der Universität zu Köln an, das er 1985 als Diplom-Kaufmann beendete. Schon der Seminarist Rentrop aber hatte gezeigt, daß er das Rüstzeug zum Unternehmertum beherrscht. Die Diplomarbeit und das Examen (fünf schriftliche Klausuren, fünf mündliche Prüfungen) müssen den Charakter einer leicht paradoxen Veranstaltung gehabt haben, lieber Leser: Denn die beamteten Professoren, allesamt im Alter von Rentrops Vater, hatten sich noch nie so auf einem Markt behaupten müssen wie ihr prominenter Prüfling. Sie wollten nun von Rentrop, dem Millionenunternehmer, daß er sich noch einmal mit seinem Betriebswirtschaftswissen unter Beweis stellt. Er hat es, neun Jahre nach seiner eigenen Unternehmensgründung.
Millionärsgehabe, wie Sie es vielleicht erwarten würden, legt der Erfolgreiche nicht an den Tag. Seine Firmenräume sind in jeder Weise bescheiden ausgestattet – der Besucher wird durch halbdunkle Fluchten von mit Gründerliteratur vollgestopften, braunen Billy-Regalen geführt; dieses Mobiliar ist bei einem schwedischen Möbelhaus für um die 150,– D-Mark für ein Regal zu bekommen. Andere Unternehmer geben so viel Geld für einen einzigen Briefbeschwerer aus, Rentrop ist sparsam.
Wenn er über seine Gründerzeit berichtet, schwärmt er von den Tagen, als es noch eine überschaubare Mannschaft gab, die er auf Zuruf führen konnte, und als das Wachstum manchmal so stürmisch war, daß nicht für alle Mitarbeiter Schreibtischstühle vorhanden waren – und niemanden störte es, man behalf sich derweil mit Apfelsinenkisten.
Der Unternehmer erscheint zum Gespräch im dunkelblauen Anzug, unauffälliges Modell. Seine Krawatte sieht noch Zeiten entgegen, in denen gerade dieses Muster wieder modern sein wird, sein Schuhwerk ist so gewählt, daß sein Träger im nächsten Moment zu einer Zwanzigkilometerwanderung auf Asphalt aufzubrechen in der Lage wäre.
Wer wie ich das Vergnügen hat, im Büro des Unternehmers empfangen zu werden, kann auch hier wieder die sparsame Haltung vieler Millionäre am Beispiel erleben. Die Möblierung ist nicht schön, nur zweckmäßig. Der Besucher nimmt auf Stühlen Platz, die davon erzählen, was der Unternehmer von Luxus hält: nichts. Die Sitzmöbel könnten auch in einer öffentlichen Bibliothek stehen, der schon lange das Geld für Neuanschaffungen fehlt.
Norman Rentrop hat das Geld, aber er gibt es lieber für neue unternehmerische Wagnisse aus als für ein ordentliches Büro. Er hängt nicht an den Dingen, er hängt an Ideen – und ihrer Umsetzung.
Wo er von anderen Menschen Macherqualitäten fordert, ist er selbst ebenfalls ein Macher, und dann ist ihm keine Sache zu groß.
Zum Beispiel die mit der Post.
Rentrop ist großer Postkunde, und großer Postleidensträger. Ihn stört es unendlich, wenn seine Werbesendungen nicht zu rechten Zeit zugestellt werden, wenn seine Briefe auf irgendwelchen Postämtern zu lange herumliegen, anstatt direkt zum Empfänger zu gelangen. Als er kürzlich auch noch herausfand, daß die Post viele Briefe gar nicht zugestellt hat, sondern einfach wegwirft, brachte ihn das zur Weißglut.
Er sieht nicht ein, daß die Zustellung der Post ein Monopolrecht sein soll, das nur einem Dienstleister zusteht. Für ihn ist Post zustellen nichts anderes als Bücher drucken oder Autos herstellen – also könne das getrost auch privaten Unternehmern überlassen werden.
Dem Unternehmer Rentrop zum Beispiel.
Er hat bereits einen Antrag gestellt, ein privates Postunternehmen zu gründen. Bei jeder Gelegenheit weist er darauf hin, daß er willens ist, diesen Plan von einer vollständig privaten Briefzustellung im Verbund mit einigen Unternehmerkollegen umzusetzen. Lieber heute als morgen – die Staatspost ist ihm zu teuer und zu umständlich.
Hier zeigt sich wieder seine Einstellung, mit der er es weit gebracht hat:
“Nicht klagen, sondern machen, unternehmen!”