Von der Schulbank in die Verlagsleitung

Gymnasiast erlebte als „Schüler im Chefsessel“ Unternehmer-Alltag

von Andrea Ziech, Bonner Rundschau Nr. 121 (Donnerstag/Freitag, 24./25. Mai 1990)

Bad Godesberg. „Eigentlich hatte ich gedacht, daß der Chef eines solchen Unternehmens nur vom Schreibtisch aus Anweisungen gibt und Briefe unterschreibt“ – erstaunt ist Harald Biederbick, der im Rahman der Aktion „Schüler im Chefsessel“ für einen Tag den Leiter des Rentrop-Verlags begleitete, wieviel Norman Rentrop noch selbst macht.

Erstaunt waren sicher einige der Kunden, als sich am Telefon nicht die gewohnte Stimme des Verlegers, sondern die Harald Biederbicks meldete. Die Planung einer Werbeaktion, ein Rundgang durch den Betrieb, eine Konferenz, ein Gehaltsgespräch und schließlich die Erledigung der Post: Ein randvolles Programm erwartete den 18jährigen Schüler auf dem Sessel des Verlegers. Daß dieser Tag ein arbeitsreicher werden würde, wußte Harald Biederbick allerdings schon vorher. In Gesprächen mit seinem Vater, der ähnliche Aufgaben zu erfüllen hat, versuchte er schon vorher, einen kleinen Einblick in die Unternehmensführung zu gewinnen. Wie gut sein Begleiter auf diesen Tag vorbereitet war, überraschte Norman Rentrop.

Gut gefallen habe ihm, so berichtet der Schüler, daß er als „Schüler im Chefsessel“ anders als in einem Praktikum den Betrieb nicht als das kleinste Rädchen, sondern sozusagen von oben kennengelernt hat. Die Verantwortung, die ein Unternehmer tragen muß, wurde für ihn besonders deutlich, als die Mitarbeiter aus dem Versand und der EDV-Abteilung von ihren Schwierigkeiten berichteten. Für sofortige Abhilfe habe Rentrop selbst gesorgt. Die Art und Weise, in der diese Schwierigkeiten schließlich angegangen wurden, hätten ihm aber auch klar gemacht, daß die Mitarbeiter sehr stark hinter ihrer Arbeit und dem Betrieb stünden. Genauso bereitwillig wie die Unternehmer, an deren Konferenz Harald Biederbick nachmittags teilnahm, beantworteten sie seine neugierigen Fragen.

„Interessant, aber viel zu kurz“ war schließlich das Resümee, das er aus seinem Tag als Unternehmer zog. Gern hätte er Norman Rentrop eine ganze Woche lang bei der Arbeit zugeschaut. In jedem Fall will er aber seinen Mitschülern diese Aktion zur Nachahmung empfehlen. Auch die Vorstellung, sich selbst später einmal selbständig zu machen, ist für ihn in durchaus greifbare Nähe gerückt.

Auf eine feste Basis möchte Norman Rentrop diese Aktion auch in Bonn gestellt sehen. Habe er vorher noch überlegt, ob ihn ein solcher Begleiter nicht bei der Arbeit stören würde, so sei er jetzt angenehm überrascht, wie gut sich der Schüler in seinen Tagesablauf eingepaßt hätte. Zusammen mit dem AKO-Pro-Seminar, glaubt der Unternehmer, ließe sich der „Schüler im Chefsessel“ sicher zu einer regelmäßigen Einrichtung machen.