Die Ortschaft Rentrop

Von Beul erreicht man in zwanzig Minuten Gehzeit die Ortschaft Rentrop. Dieser Weiler mit den meisten Einwohnern auf den hiesigen Höhen hat eine bewegte Vergangenheit. Seit 1600 hat sich an der Schreibweise der Ortschaft nichts geändert. Superintendent Ernst Rentrop aus Königswinter hat mehrmals den Versuch unternommen, den Namen Rentrop zu erforschen…

Theo Deitmerg, aus „“Auf den Werdohler Höhen – Geschichte in Wort und Bild““, 2001

Von Beul erreicht man in zwanzig Minuten Gehzeit die Ortschaft Rentrop. Dieser Weiler mit den meisten Einwohnern auf den hiesigen Höhen hat eine bewegte Vergangenheit. Seit 1600 hat sich an der Schreibweise der Ortschaft nichts geändert. Superintendent Ernst Rentrop aus Königswinter hat mehrmals den Versuch unternommen, den Namen Rentrop zu erforschen. In seinem ersten Heft „Beiträge zur Geschichte der Familie Rentrop“ von 1926 hat er verschiedene Aussagen aus sachkundigen Quellen zusammengetragen. Eine eindeutige Erklärung hat sich daraus aber nicht ergeben. In einem zweiten Heft über die Familiengeschichte von 1931 hat er sich noch einmal ausführlich mit dem Thema beschäftigt. Seiner Meinung nach soll sich dort ein „Regino“ oder ein „Renno“ sesshaft gemacht haben. „Torp“ oder „Trop“ bedeute soviel wie Dorf. So könnte Rentrop die Kürzung einer ursprünglich längeren Form gewesen sein.

Wie viele Jahrhunderte seitdem vergangen sind, welche Geschlechter dort nacheinander gelebt haben, wird ein Geheimnis bleiben. Erstmalig erwähnt wird 1930 ein Moritz von Rentrop. Nach ihm lebte dort Franz von Rentrop. Er war Besitzer von zwei Hammerwerken. Seit diesem Hinweis ist das Geschlecht Rentrop über Jahrhunderte in Rentrop ansässig gewesen. Der erste Besitzer Rentrops, über den man etwas mehr weiß, ist Kasper Adrian Rentrop, der 1689 geboren wurde und am 20. Mai 1754 starb.

Im Jahr 1765 bestanden schon die beiden Güter Obern- und Niedern-Rentrop. Letzteres wird in überlieferten Schriften auch das „alte Haus“ genannt. Diese Bezeichnung lässt darauf schließen, dass es das ursprüngliche Stammhaus von Rentrop ist. In diesem großen Gebäude in der Mitte der Ortschaft sind heute Pferdeställe des Reiterhofes Noelle untergebracht. Rentrop war ein freies Gut. Es hatte keine „Obereigentümer“ wie Adelige oder Kirchen, denen irgendwelche Erträge aus dem Gut zustanden. Ihre Besitzer konnten allein und uneingeschränkt wirtschaften. Schon im 17. Jahrhundert gehörte auch Beul zum Rentrop Besitz, ebenfalls ein zweiter Kotten in der Esmecke mit dem ursprünglichen Namen Esternbecke. Dieses Anwesen lag in der Talfalte von Dösseln zum Lehnetal. Mauerreste bezeugen noch heute den Standort dieser erloschenen Ortschaft. Eine größere Wiese im Esmecker Tal, die einst zu diesem Kotten gehörte, wurde noch nach dem Zweiten Weltkrieg genutzt.

Das Gut Obern-Rentrop ist der heutige Hof von Arnold Noelle. Kasper Adrian Rentrop soll das Haus für seinen Sohn Kasper Jakob gebaut haben. Wahrscheinlich hat dieser neben der Landwirtschaft noch ein Hammerwerk betrieben. Er beschäftigte drei Mägde und vier Knechte. Sein jüngster Sohn Kasper Eberhard, der von 1760 bis 1818 lebte, erbte Obern-Rentrop. 1816 übertrug er das Gut seinem Sohn Kasper Wilhelm. Dieser hatte zuvor am Feldzug gegen Napoleon teilgenommen. Zwei Jahre nach der Hofübernahme heiratete der am 16. August 1820 Anna Katharina vom Holle. Nach der zweijährigen Ehe starb er 1822 im Alter von 29 Jahren. Er hinterließ Frau und Sohn. Bereits ein Jahr später, am 7. November 1823, vermählte sich die junge Witwe mit Peter Kasper Spannagel aus Eickenhohl. Zum ersten Mal taucht jetzt in Rentrop der Name Spannagel auf.

Auf dem Hof standen zu dieser Zeit zwei Pferde, elf Kühe, Kälber, Schweine, Gänse und Hühner. Zudem war das Anwesen mit Hausrat, Möbeln und landwirtschaftlichen Geräten bestens ausgestattet. Die Vorfahren hatten als Reidemeister offenbar genügend Geld zur Anschaffung dieser Dinge verdient. Das Ehepaar Spannagel bekam drei Töchter und zwei Söhne. Die beiden Kinder, Peter und Arnold, arbeiteten gemeinsam auf dem elterlichen Gut. Neben der Landwirtschaft betrieben sie dien Fuhrunternehmen und übernahmen Gütertransporte bis in den Kölner Raum. Eine Zeit lang hielten sie auch eine größere Schafherde. Räude und andere Krankheiten machten aber die Schafzucht unrentabel, so dass man sie wieder aufgeben musste.

1858 erbten die beiden Brüder das Gut. Peter, der ältere, blieb ledig. Arnold vermählte sich am 8. November 1861 mit Henriette Noelle aus der Oelmühle Treckinghausen. Sie hatten drei Töchter und eine Sohn. Zwei Mädchen starben schon im Kindesalter, der einzige Sohn Bernhard erbte später das Gut Obern-Rentrop. Er besuchte die Landwirtschaftliche Schule auf dem Riesenrodt. Im Alter von 36 Jahren vermählte er sich mit Pauline Eckey aus Rotehaus bei Iserlohn. Als einziges Kind aus dieser Ehe wurde die Tochter Johanna am 5. Februar 1900 geboren. Sie heiratete am 14. November 1924 Paul Eick in Bergfeld. Am 16. Juli 1907 starb Bernhard Spannagel im Alter von 45 Jahren. Wieder einmal lagen die Geschicke des Gutes Obern-Rentrop in den Händen einer jungen Witwe. Sie war 29 Jahre alt.

Julius und Bertha Mayweg kamen mit ihrem Sohn Otto, der am 17. November 1878 geboren wurde, von Evingsen nach Ütterlingsen. Im Jahr 1900 kauften sie das Gut Niedern-Rentrop, das „alte Haus“. Am 18. Juni 1908 heiratete Otto Mayweg die Witwe Pauline Spannagel vom Nachbargut Obern-Rentrop. Durch diese Heirat kamen beide Güter zusammen, Obern-Rentrop wurde zum Familienbesitz. Die Verschmelzung der Grundbesitze brachte eine Erweiterung der Landwirtschaft mit sich. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, Arnold, Hermine und Elfriede. Arnold war noch ledig, als er 1945 durch ein tragisches Unglück ums Leben kam. Hermine vermählte sich 1936 mit Wilhelm Noelle in Neuenhaus, Elfriede blieb ledig und bis an ihr Lebensende auf dem Hof.

Durch die Zusammenlegung der beiden Höfe Mayweg und Spannagel wurde das „alte Haus“ in der Ortsmitte noch zum Teil für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Zwischen den beiden Weltkriegen nun noch lange Zeit danach wohnten in der vorderen Hälfte in wechselnder Folge drei bis fünf Familien. Auf der großen Deele befand sich ein eingebauter Spülstein mit Schwengelpumpe. Hier versorgten sich alle Mieter mit Wasser. Bei Regenwetter war die Deele ein beliebter Spielraum für die Kinder. Bis in die 60er Jahre waren im „alten Haus“ noch Wohnungen vermietet. Im Sommer 1939 hat man dieses ursprüngliche und älteste Haus von Rentrop kostspielig renoviert. Das alte Gemäuer am hinteren Trakt wurde abgerissen und durch eine geräumige Scheune ersetzt. Zudem erhielt das Gebäude einen neuen Dachstuhl. Das notwendige Holz hatte man im eigenen Wald geschlagen.

Otto Mayweg und sein Sohn Arnold kamen Anfang Mai 1945 auf dramatische Weise ums Leben, als sie von einem wütenden Deckbullen getötet wurden. Während der langen Ortsgeschichte geschahen in Rentrop verschiedene tragische Ereignisse, die man zu einer Unglückschronik zusammenfassen kann.

Peter von Reineberg bei Hülscheid war als Fuhrknecht bei Kasper Adrian Rentrop beschäftigt. Im Sommer 1735 erschoss er die Magd seines Arbeitgebers bei der Gartenarbeit. Verschmähte Liebe soll die Ursache für diese Bluttat gewesen sein. Der Täter wurde zwar überwältigt, konnte sich nach der Festnahme aber befreien und flüchten.

Am 23. März 1778 entstand im Haus Obern-Rentrop eine Feuersbrunst. Dabei fand der elfjährige Kasper Dietrich Buckesfeld den Tod.

Der 30 Jahre alte Kasper Dietrich Rentrop aus dem Haus Niedern-Rentrop fiel am 18. August 1807 von einem Obstbaum. Dabei wurde er so schwer verletzt, dass er zwei Tage später verstarb.

Die Eheleute Peter Kasper Rentrop und seine Frau Margarete, geborene Spannagel, starben beide am 20. Oktober 1844 an der Schwindsucht.

Schließlich stürzte am 9. Dezember 1893 Friedrich Wilhelm Rentrop im dichten Nebel in Werdohl in die Lenne und ertrank. Er wurde 42 Jahre alt.

Tief betroffen waren die Einwohner von Rentrop von einem schlimmen Unglücksfall, der sich am 26. Juli 1933 zugetragen hatte. Mitten in der Ortschaft befand sich neben dem Weg, der in Richtung Heedhof führte, eine etwas größere Kuhle. Gelegentlich entsorgte man dort Zweige und andere biologische Abfälle. An dem genannten Sommertag wurde in dieser Kuhle eine Menge Zweige und andere Kleinhölzer verbrannt. Die vierjährige Irene Pfaff aus dem „alten Haus“, die mit anderen Kindern das Feuer bestaunte, wurde plötzlich von den Flammen erfasst und erlitt lebensgefährliche Verbrennungen. Unmittelbar nach dem Unfall starb sie einen qualvollen Tod.

Das schon angesprochene und zugleich schrecklichste Unglück in der Rentroper Ortsgeschichte hat sich wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs zugetragen. Der Deckbulle vom Hof Mayweg wurde an den Metzger Fritz Vormann in Werdohl verkauft. Am 1. Mai 1945 wurde der Handel in Rentrop vollzogen. In Anwesenheit des Metzgers führte Jungbauer Arnold das stets friedliche Tier am Halfter und wollte den Bullen mit seinem Käufer gut auf den Weg bringen. Im Grund vor dem Brückenstück sollte der Metzger das schwere Tier zur Weiterführung nach Werdohl selbst übernehmen. Im Augenblick der Übergabe wurde der Bulle plötzlich bösartig. Mit gesenktem Kopf stürzte er auf Arnold los und versetzte ihm mit seinem harten Schädel mehrere Schläge auf die Brust und den Bauch. Er wurde von dem rasenden Tier in eine Böschung gestoßen und lebensgefährlich verletzt.

Sein Vater Otto Mayweg, der auf dem nahen Feld arbeitete, sah das Drama und wollte seinem Sohn Hilfe leisten. Dabei erwischte auch ihn der wütende Bulle. Er drückte ihn mit einer solchen Wucht gegen den Baum, dass der Vater zusammenbrach und auf der Stelle seinen inneren Verletzungen erlag. Während des verhängnisvollen Unglücks passierte ein Jeep der amerikanischen Militärpolizei die Höhenstraße. Die fremden Soldaten hatten sofort die Tragödie in der Talfalte erkannt. Sie ließen ihr Fahrzeug am Straßenrand stehen und liefen über das Feld zur Unglücksstelle. Dort töteten sie den wütenden Bullen mit mehreren Schüssen aus einer Maschinenpistole. Metzger Vormann hatte sich bei dem Wutausbruch des Tieres in Sicherheit bringen können.

Als man am 5. Mai 1945 Otto Mayweg in Werdohl zu Grabe trug, läutete erneut die Totenglocke. Auch Jungbauer Arnold war seinen inneren Verletzungen erlegen, er wurde am 8. Mai 1945 ebenfalls beerdigt. In seiner Traueransprache versuchte Pfarrer Adolf Wicke die Angehörigen unter anderem mit den Worten zu trösten „Was wir bergen in den Särgen, ist der Erde Kleid. Was wir lieben, ist geblieben, bleibt in Ewigkeit“. Bedingt durch das Kriegsende gab es keine Tageszeitung, in denen man die Todesnachrichten mitteilen konnte. Auch der Postverkehr ruhte. Selbst der Fernsprechdienst war nicht mehr in Betrieb. Neben mündlichen Mitteilungen in der nahen Umgebung wurden die Totenbriefe an Verwandte, Freunde und Bekannte durch Boten mit Pferdekutschen, teilweise auch mit Fahrrädern, überbracht.

Am ersten Ostertag des Jahres 1980 wurden die Einwohner von Rentrop erneut durch einen tragischen Unglücksfall aufgeschreckt. Es war der 6. April, als der sechszehnjährige Peter Seidlitz mit seinem Mofa auf der Höhenstraße aus Richtung Lüdenscheid kam. Als er von Neuenhaus nach Rentrop abbiegen wollte, wurde er von einem Personenwagen erfasst und tödlich verletzt. Die Familie Seidlitz hatte von 1975 bis 1983 das Restaurant „Stiefelknecht“ in Rentrop gepachtet.

Der Hof Mayweg verlor durch das dramatische Unglück im Mai 1945 beide Hofbauern. Um die Landwirtschaft zu erhalten, setzte die Witwe Pauline Mayweg, im Einvernehmen mit ihrer Tochter Elfriede, Alfred Stuberg als Verwalter ein. Er führte sechs Jahre den Betrieb. Ihm folgte als zweiter Verwalter Bruno Wiehr. Ortslandwirt Wilhelm Noelle hat als Schwiegersohn von Pauline Mayweg natürlich den betrieblichen Ablauf mitbetreut. Der schmerzliche Verlust von Otto und Arnold Mayweg war für die Angehörigen schwer zu verkraften. Als im Dezember 1945 dem Ehepaar Wilhelm und Hermine Noelle in Neuenhaus ein zweiter Sohn geboren wurde, legte man ihn im Haus Mayweg in Rentrop in den Schoß der Großmutter und Tante. Man taufte ihn auf den Namen Arnold. Über alle Trauer hinweg sollte mit dem kleinen Erdenbürger wieder neues Leben in Rentrop einziehen. Arnold Noelle ist auf dem Hof seiner Großmutter und Tante in Rentrop aufgewachsen. Von dort ging er auch nach Bärenstein zur Schule.

Schon als Heranwachsender wurde Arnold in der Familie und auf dem Hof mit allen Aufgaben der Landwirtschaft vertraut gemacht. Der Schwerpunkt des Betriebes tendierte immer stärker zur Milchwirtschaft. Ein treuer Mitarbeiter auf dem Hof war der Altknecht Fritz Klinker. Er arbeitete 43 Jahre bei Maywegs in Rentrop. Nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder auf den Höhen kannten Fritz Klinker persönlich. 1962 trat er in den Ruhestand. In einem Werdohler Altenheim verbrachte er seinen Lebensabend. Als 1963 Pauline Mayweg starb, übernahm ihre Tochter Elfriede die alleinige Führung des Hofes. Am 26. Juli 1968 vermählte sich ihr Neffe und künftiger Erbe Arnold Noelle mit Christel Dresel aus Linscheid. Als einziges Kind aus ihrer Ehe ging der Sohn Dieter hervor.

Arnold und Christel Noelle übernahmen 1981 den großen Mayweg-Hof als Pächter. Vier Jahre später pachteten sie die Reithalle und Scheune vom Besitzer des Restaurants „Stiefelknecht“ mit den landwirtschaftlichen Flächen, die vormals zum Hof Eckey/Rentrop gehörten. Standen schon seit einigen Jahren Privatpferde in ihren Stallungen, so kamen jetzt eigene Pferde hinzu. Nun wurde der Reiterhof Noelle in Rentrop aus der Taufe gehoben. Zwei Jahre später kauften sie die gepachteten Immobilien. Zudem erwarben sie etwa 80 Morgen landwirtschaftliche Nutzfläche und Wald, die vom gleichen Besitzer veräußert wurden. Bald mussten die Pferdeställe wegen steigender Nachfrage ausgebaut und erweitert werden. In Zusammenarbeit mit seinem Bruder Peter vom Hof Neuenhaus entstand gleichzeitig ein Unternehmen für Kutschen- und Planwagenfahrten. Kutschenfahrten werden bei Hochzeiten, Schützenfesten oder anderen Anlässen ausgeführt. Für zwei- oder vierspännige Fahrten hat Arnold Noelle inzwischen 17 eigene Schimmel zur Verfügung. Planwagenfahrten zu allen denkbaren Anlässen werden vom Reiterhof wunschgerecht übernommen. Neben zahlreichen Reitpferden prägen die Schimmel auf den umliegenden Weiden das Erscheinungsbild von Rentrop. Als 1985 die letzte Milchkuh den Hof verließ, war das Ende der Milchwirtschaft gekommen.

Am 8. Juni 1993 starb die alleinige Inhaberin Elfriede Mayweg, Arnold Noelle erbte den gesamten Besitz. Für den expandierenden Reiterbetrieb baute er eine zweite größere Reithalle, die vor der Jahrtausendwende in Betrieb genommen wurde. Rund um den Reiterhof pulsieren heute lebhafte Aktivitäten. 1993 wurde der „Reit- und Fahrverein Werdohl-Rentrop“ gegründet. Um an Turnieren teilnehmen zu können, muss man einem Reitverein angehören. Dies gilt auch zum Erwerb von Leistungsabzeichen im Pferdesport. Vergleichskämpfe werden vom Ortsverein selbst durchgeführt und man beteiligt sich an auswärtigen Turnieren. Verschiedenen Veranstaltungen, wie zum Beispiel größere Geländeritte, werden vom Verein und Reiterhof durchgeführt. Osterfeuer, Sommerfest und Weihnachtsfeier sind gesellschaftliche Höhepunkte des Jahres. Für Aufsehen sorgt gelegentlich auch der Stammtisch „Lockerer Zügel“. Er veranstaltet unter anderem Kutschenkorsos durch die nahe und weitere Umgebung. Auch diese Gemeinschaft beweist mit ihren Unternehmungen wie bodenständig die Liebe zum Pferd in unserer Heimat ist.

Am Weg zum Heedhof stand ein kleines Kötterhaus, das ebenfalls zum Hof Mayweg gehörte. Von 1932 bis 1954 wohnte dort die Familie Hermann Mühlhoff. Weil das kleine Wohnhaus keine Wasserleitung hatte, musste das Wasser jeden Tag mit Eimern vom Haus Mayweg geholt werden. Durch den Kuhstalleingang hatte man Zugang zur Viehküche, in der eine Schwengelpumpe das Wasser förderte. Hermann Mühlhoff war bei VDM in Eveking tätig. Er hatte ursprünglich das Friseurhandwerk gelernt, was seinen Nachbarn zugute kam. Der Preis für das Haareschneiden auf einem Stuhl vor der Haustür betrug bis Ende 1945 nur 20 Pfennig. Die landwirtschaftlichen Helfer der umliegenden Höfe, die man damals noch Knechte nannte, mussten für seine Dienstleistung statt Geld eine Steckrübe mitbringen. Mühlhoffs hatten einen großen Stall mit Hauskaninchen, die für den Bratentopf gefüttert wurden. Da das Futter aus dem eigenen Garten manchmal nicht ausreichte, hatte sich der Freizeitfriseur das erwähnte Zahlungsmittel erbeten. Sonntag kamen gelegentlich zwei oder drei Steckrüben zusammen. Damit war das Futter wieder für einige Tage gesichert. Das baufällige Kötterhaus wurde 1954 abgebrochen.

1838 wurde wohl aus erbrechtlichen Gründen der Besitz Niedern-Rentrop geteilt. Mit einem Neubau entstand im gleichen Jahr ein dritter Hof in Rentrop, den man damals ebenfalls als Niedern-Rentrop bezeichnete. Es ist das Haus mit dem heutigen Restaurant „Stiefelknecht“. Seit dieser Zeit wird das ursprüngliche Anwesen nur das das „alte Haus“ genannt. Julius Rentrop, der von 1848 bis 1893 lebte, wurde in Mühlhof geboren und hatte in Niedern-Rentrop eingeheiratet. Dort wohnte und wirtschaftete er nur 21 Jahre lang. In dieser Zeit hat er zwei Frauen und drei Kinder durch Tod verloren. Den Hof erbte sein Sohn Hugo Julius.

Hugo Julius Rentrop vermählte sich am 3. April 1903 mit Bertha Heimann aus Refflingsen. Er soll auf dem Hof mit großer Umsicht gewirtschaftet haben. An der östlichen Seite des Hofgeländes hat er den alten Obsthof durch zahlreiche Anpflanzungen aufgefrischt und erweitert. So konnte dort über ein halbes Jahrhundert reichlich Obst geerntet werden. Leider starb er bereits am 16. April 1908 im Alter von 32 Jahren. Die beiden Kinder Julius und Hugo waren erst vier beziehungsweise ein halbes Jahr alt. Julius erbte später den Hof. Hugo war bis zu seinem Tod als Ingenieur bei VDM in Werdohl tätig.

Die Witwe Berta Rentrop heiratete 1912 Christian Eckey aus Rotehaus bei Iserlohn. Aus dieser Ehe ging 1914 der Sohn Ernst hervor, der 1944 Else Mayweg in Nettenscheid heiratete. Christian Eckey konnte 1914 eine geplante Scheune gegenüber dem Wohnhaus bauen lassen. Der Zimmermann Ernst Schulte aus Garbeck war hauptsächlich am Aufbau beteiligt. Inzwischen war der Erste Weltkrieg ausgebrochen. Auch Meister Ernst Schulte hatte seine Einberufung zum Militär erhalten. Zum Abschluss der Bauarbeiten tat er den Ausspruch „Das war der letzte Hammerschlag. Jetzt muss ich leider in den Krieg.“

Über Jahrzehnte reichte die kleine Scheune zur Unterbringung der Getreideernte nicht aus. So standen jeden Herbst auf dem Hof Eckey/Rentrop oberhalb des Hauses einige große runde Getreidehaufen, die man „Winterhaufen“ nannte. Die Getreidegarben wurden im großen Rund so aufgeschichtet, dass die Ähren vor Nässe geschützt waren. Nach dem Beispiel von Strohdächern wurden die „Winterhaufen“ mit Stroh abgedeckt. Dadurch war das Getreide vor Regen geschützt. In der Winterzeit, wenn man das Stroh als Streu für die Stallungen benötigte, wurden die Haufen zum Dreschen abgebaut.

Julius Rentrop besuchte die Landwirtschaftsschule in Lüdenscheid. Schon als Jungbauer und künftiger Hoferbe wurde er mit der vielfältigen Arbeit der Landwirtschaft vertraut gemacht, die er bald mit seinem Stiefvater Christian Eckey gemeinsam ausübte. Am 24. August 1938 vermählte er sich mit Erna Potthoff aus Frömern. Aus ihrer Ehe gingen zwei Kinder hervor, Heinrich und Helga. In der Bergbauernschaft war Eckey/Rentrop einer der kleinsten Höfe. Etwa 60 Morgen betrug die Nutzfläche. Hinzu kamen noch 20 Morgen Wald. Auf Nebeneinnahmen war man immer angewiesen. Viele Jahre fuhr Julius Rentrop täglich die Milch vom eigenen Hof und den Nachbarhöfen mit dem Pferdefuhrwerk nach Werdohl. Gelegentlich übernahm er auch Fuhren mit der Sturzkarre für das Werdohler VDM-Werk. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gab es im Obsthof an der Ostseite des Gehöftes mehrmals eine reiche Ernte von Äpfeln, Birnen und Zwetschen. In Werdohl hat man das Obst selbst vermarktet oder an Wiederverkäufer abgegeben.

Christian Eckey starb am 21. Februar 1959 im Alter von 77 Jahren. Der Besitzer Julius Rentrop hat den Hof bis 1961 geführt. Seine beiden Kinder hatten keinen Bezug zur Landwirtschaft. Da er krank war, verpachtete er 1961 seinen Hof an Aloys Heitmann. Er war der jüngere Sohn aus dem Hause Heitmann in Harlingsen. Zur Zeit der Hofübernahme vermählte er sich mit Monika Deitmerg vom Heedhof. Strebsam bauten die jungen Pächter den Betrieb mit dem Schwerpunkt Milchwirtschaft aus. Innerhalb weniger Jahre verdoppelte sich die Anzahl auf 16 Milchkühe. Der Verpächter Julius Rentrop starb am 6. Mai 1966. Er wurde 62 Jahre alt. Da sein Sohn Heinrich als Erbe das Anwesen selbst in Anspruch nehmen wollte, löste er 1969 den Pachtvertrag mit der Familie Aloys Heitmann vorzeitig auf. Er ließ das alte Bauernhaus von 1838 großzügig umbauen, um darin ein Hotel und Restaurant zu betreiben. Der Umbau wurde aber nicht vollendet. Halbfertig blieb das Haus einige Jahre ungenutzt. 1974 wurde der Hof von dem Kölner Bankier Utermohl erworben. Er stellte den Umbaufertig und errichtete zusätzlich eine Reithalle.

Pächter des umgebauten Hofes waren von 1975 bis 1983 Manfred und Renate Seidlitz. Sie brachten die ersten Reitpferde nach Rentrop und gaben dem Restaurant den Namen „Stiefelknecht“. Nach dem Weggang der Familie Seidlitz im Jahre 1983 wechselten noch einige Male Pächter wie auch Besitzer. Pferdehaltung und Reitbetrieb wurden 1985 wieder aufgegeben. Die große Reithalle pachtete Arnold Noelle, der sie zwei Jahre später auch käuflich übernahm. Wald- und Nutzflächen der früheren Landwirtschaft kamen ebenfalls in seinen Besitz. Heute gehört das „Landhaus Stiefelknecht“ Richard Leipold. Er bewohnt selbst das Haus und führt das Hotel. Das Restaurant ist verpachtet.

Ende der fünfziger Jahre haben kontaktfreudige Männer aus Rentrop und den umliegenden Ortschaften einen Stammtisch ins Leben gerufen. Alle 14 Tage traf man sich im „Forsthaus“, um bei einem Bier persönliche Kontakte zu pflegen und über örtliche Fragen zu klönen. Bedingt durch den Ausbau der Höhenstraße als Zubringer zur Autobahn 45 stellte das „Forsthaus“ Anfang der sechziger Jahre seinen Gästebetrieb vorübergehend ein. Besitzer Hans Krewinkel nutzte die Zeit zum Um- und Ausbau des Hotels und Restaurants. Zwangsläufig löste sich der Stammtisch auf. Als 1975 das Landhaus „Stiefelknecht“ eröffnete, startete man dort mit dem Stammtisch einen Neubeginn. Seit dieser Zeit treffen sich die Männer aus der Rentroper Nachbarschaft alle 14 Tage donnerstags. Natürlich haben auch die Landfrauen des Höhengebietes ihren Stammtisch. Vor 25 Jahren wurde er ebenfalls im „Stiefelknecht“ gegründet. Einmal im Monat kommen die Teilnehmerinnen in wechselnder Folge im Landhaus „Stiefelknecht“ und im Cafe „Wiengarn“ in Werdohl zusammen. Aktuelle Themen bieten sich als Gesprächsstoff reichlich an. Darüber hinaus sind die Landfrauen im „Landfrauenverband Westfalen-Lippe, Ortsverband Werdohl“ organisiert.

In der Ortsmitte gegenüber dem Eingang zum „alten Haus“ stand ein weiteres Kötterhaus. Es gehörte der Familie Eckey/Rentrop. In diesem alten Gebäude wohnten zwei Familien auf recht engem Raum. Zu dem Haus führte ebenfalls keine Wasserleitung. Die Mieter mussten das Wasser zum Baden und Wäschewaschen in Eimern aus dem Wohnhaus der Besitzer holen. Gelegentlich deckten sie ihren Bedarf auch an der Schwengelpumpe im „alten Haus“, obwohl es ihnen nicht erlaubt war. Beide Häuser hatten verschiedene Eigentümer, die einen solchen Verstoß gegen die Mietordnung nicht duldeten. Lange Jahre gehörten auch Ziegen zum Ortsbild von Rentrop. Zum Kochen und Heizen wurde ausschließlich Holz als Brennmaterial verwendet. Das kleine Kötterhaus wurde Anfang der siebziger Jahre abgebrochen.

Zu erwähnen sind noch die sehr schönen Gartenanlagen der beiden Höfe Mayweg und Eckey/Rentrop. Auf den Werdohler Höhen zählten während meiner Kindheit die Gärten zum unverzichtbaren Bestand eines Bauernhofes. Der stets gepflegte Flecken Erde, mit einer sauberen und gefälligen Einfriedung versehen, erfüllte nicht nur wirtschaftliche Aufgaben. Er bereicherte das Landleben mit nahrhaften Erzeugnissen und stärkte das Heimatgefühl der Menschen. Nicht zuletzt schenkte er durch seine Blumenvielfalt Freude und Glücksgefühl. Wenn auch die Bäuerin durch ihren schweren Beruf stark in Anspruch genommen war, so widmete sie doch so manche Stunde der Blumenpflege. Am Abend war für Bauer und Bäuerin der beschauliche Rundgang durch den Garten ein wohltuender Ausgleich für die Mühen und Lasten des Tages.

Zahlreiche Aufzeichnungen geben davon Zeugnis, dass im Sauerland schon seit vielen Jahrhunderten Gartenbau betrieben wurde. Nach dem Vorbild der Klöster verbreiteten sich Gärten im Mittelalter besonders schnell in den ländlichen Regionen. Neben Würz-, Heilkräutern und verschiedenen Gemüsesorten nahm der Anbau neuer Kulturpflanzen zu. Ebenfalls aus den Bereichen der Klöster hielten die Blumen ihren unaufhaltsamen Einzug in die Bauerngärten.

Weißdornhecken und Lattenzäune umschlossen die meisten Gärten der heimischen Höfe. Vereinzelt waren auch Einfriedungen mit halbhohen Mauern aus Natursteinen oder Trockenmauern zu sehen, auf denen Zäune aus Holz befestigt waren. Sie dienten nicht nur der Repräsentation, sondern sollten auch verhindern, dass freilaufende Hühner und Wild in die Gärten eindrangen. Alle größeren Gärten hatten Grünflächen. Sie dienten den Landfrauen zum Wäschebleichen. Weiße Wäschestücke wurden auf dem Rasen ausgebreitet und mit Wasser besprengt. Wenn sie getrocknet waren, wurde der Vorgang mehrmals am Tag wiederholt. Dadurch sollte die Wäsche vom Grauschleier befreit und wieder aufgefrischt werden.

Überall, von Brenge bis Köllmannsforst, befanden sich die Gärten an einem sonnigen Platz und zumeist in der Nähe der Wohnhäuser. Trotz des schweren Bodens in unserer Heimat war das Erdreich sehr locker und fruchtbar. Gute Düngung und Kultivierung hatten Wirkung gezeigt. Wenn der Garten etwas abseits vom Wohnhaus lag, hatten die Bauern zusätzlich einen zweiten kleineren Garten. Dieser lag windgeschützt an der Südseite des Wohnhauses. Das war zum Beispiel am Haus Mayweg in Rentrop, bei Severin in Harlingsen, bei Dösseler in Dösseln, auf dem Heedhof und in Eickenhohl zu sehen. Die Bauern sprachen daher vom kleinen und großen Garten. Für die Bäuerin war es wichtig, dass sie sich für den täglichen Bedarf recht schnell mit Dill, Petersilie, Schnittlauch, Porree, Spinat, Stielmus oder verschiedenen Kräutern eindecken konnte.

Wenn gute Witterung das Wachstum beflügelte, kam schon am Pfingstfest der erste Salat aus dem Garten auf den Mittagstisch. Salat hatte man während der ganzen Sommerzeit frisch zur Verfügung, da er immer wieder neu gesät wurde. In den Gärten zogen die Bauern jedes Frühjahr Pflanzen für Gemüse und Hackfrüchte wie Runkeln und Steckrüben. Wennsie Anfang bis Mitte Juni kräftig genug waren, mussten sie bei nassem Wetter sorgfältig ausgezogen werden. Dann wurden sie mit der Hand Stück für Stück in langen Reihen auf die Felder gepflanzt. Auf den meisten Höfen reichten die Gemüsebeete in den Gärten nicht aus. Daher wurden bestimmte Sorten wie Weiß- und Rotkohl, Kohlrabi, Wirsing und Dicke Bohnen zusammen mit Runkeln und Steckrüben ebenfalls auf den Feldern angebaut. In der Nachkriegszeit ging man dazu über, die Hackfrüchte in langen Reihen sofort auf die Felder zu säen. Sie mussten später ebenfalls mit der Hand verzogen werden. Heute werden Runkeln und Steckrüben als Futtermittel kaum noch angebaut.

Die Gärten brachten üppige Erträge. Auf den Höfe der Werdohler Höhen wurde grundsätzlich kein Gemüse gekauft. Der Jahresbedarf musste aus dem eigenen Anbau gedeckt werden. Hauptsächlich waren es verschiedene Sorten Salat, Möhren, Zwiebeln, Erbsen, Gurken, Rote Beete, Stangen- und Buschbohnen. Die Erdbeeren hatten ihr eigenes Beet und auch der Rhabarber behauptete seinen dauerhaften Standort. Die Früchte der Johannis- und Stachelbeersträucher deckten den Bedarf für Gelee und Marmelade. Am Rande waren manchmal Wermut, Pfefferminz und Kamille zu finden. Sie wurden im Herbst getrocknet und aufbewahrt. In den Händen tüchtiger Landfrauen fanden diese Kräuter bei verschiedenen Krankheiten lindernde oder sogar heilende Anwendung.

Nach der Kartoffelernte musste jeden Herbst das Gemüse vom Feld und aus dem Garten eingebracht werden. Der Weißkohl wurde mit einer Schabe fein gehobelt und in einem Steinbottich zum Säuern gestampft. Etwa um die Weihnachtszeit hatte das Sauerkraut die notwendige Reife und war zum Verzehr geeignet. In einem Fass machte man auch die Bohnen für den Winter haltbar. Möhren wurden im Keller in sandiger Erde eingelagert und aufbewahrt. Nur der Grünkohl stand bis tief in den Winter in den Gärten. Oft war er sogar völlig im Schnee versunken. Erst durch Frostwetter erlangte er die notwendige Güte. Grünkohl wurde weniger auf freien Feldern angebaut, da er für Feldhasen eine bevorzugte Nahrung war.

Vom Frühling bis zum späten Herbst sorgten die Blumen in den Bauerngärten für ein abwechslungsreiches Farbenspiel. Eine Anzahl traditioneller Blumen, die in fast allen Gärten zu sehen waren, sind mir in guter Erinnerung geblieben. Winterharte Stauden waren besonders beliebt, weil sie wenig Arbeit erforderten. Der einziehende Frühling weckte Schneeglöckchen, Stiefmütterchen, Primeln, Veilchen und Narzissen. Bald folgten Maiglöckchen, Ringelblumen, Pfingstrosen, Jasmin und der duftende Flieder in Weiß und Rot. Im Früh- und Hochsommer waren es hauptsächlich Rittersporn, Nelken, Löwenmaul, Schwertlilien, Rosen, Klatschmohn und Bartnelken mit dem volkstümlichen Namen Tausendschön. Noch im Herbst blühten Phlox, langer oder stolzer Heinrich, Dahlien, Astern, Chrysanthemen und Margeriten in verschiedenen Farben. Dazu kamen die beliebten Bauern- oder Strohblumen. Sie wurden getrocknet und gaben im Winter den Wohnstuben einen kleinen freundlichen Farbtupfer.