Mit 10 kaufte er die ersten Aktien, mit 18 gründete er den ersten Verlag: Norman Rentrop ist ein echter Selfmade-Mann
Verlegerportrait Norman Rentrop aus der print & moreAusgabe 3/2008
Früher wurde hier Politik gemacht. Jetzt geht es in der ehemaligen Bürgermeistervilla um Geld und um Glauben. Das Erdgeschoßzimmer des alten Bad Godesberger Amtshauses steht voller gediegener Bücherregale. „Aktien“ klebt als Index bei den einen an den Regalbrettern, „Christliches“ an denen der anderen, Papierfähnchen mit A, B, C markieren die Ordnung.
„Drei Kilometer in die Richtung“, sagt Norman Rentrop und deutet aus dem Fenster, „da war mein Kinderzimmer“. Er lehnt an einem der Sessel im Konferenzraum des Aufsichtsrats der Verlagsgruppe, die seinen Namen trägt. Auf dem Fensterbrett lehnen mehrere Bibelausgaben, daneben hängt wandfüllend ein Poster mit den Aktienkursen der letzten 100 Jahre. Seine Geschichte begann in jenem zwölf Quadratmeter großen Kinderzimmer, als er mit 18 seinen Verlag gründete, „Die Geschäftsidee“ hieß das erste Produkt. Das war 1976.
Norman Rentrop ist jetzt fast 51 und das, was man einen Selfmade-Man nennt. Er hat unternehmerisch so viel erreicht, daß er sich vor 20 Jahren aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hat. Sein Erfolgsrezept war, seine Erfolgsrezepte weiterzugeben. Zielgruppe waren von Anfang an andere Selbständige – Unternehmensgründer, die lernen mußten, wie man Mitarbeiter einstellt, Aufträge akquiriert, Umsatzsteuer berechnet. Zur Verlagsgruppe Norman Rentrop gehören heute der Verlag für die Deutsche Wirtschaft, der Fachverlag für Informationsdienste und einige Tochterunternehmen. Außerdem ist die Verlagsgruppe an Verlagen in Warschau und Bukarest beteiligt, investiert in n-tv, vergibt seit fast 20 Jahren den Cicero-Rednerpreis – im vergangenen Jahr an Thomas Gottschalk, dieses Jahr an den Philosophen Peter Sloterdijk. Newsletter und Loseblattsammlungen sind das Hauptgeschäft von Rentrop, digitale Informationsdienste sind in den letzten Jahren dazugekommen. Das dickste Heft ist so dünn, daß andere Verlage das Wort „Magazin“ nicht benutzen würden. Man merkt den Verlagsprodukten an, daß es hier auf die Inhalte ankommt, sexy aussehen muß es nicht.
Rentrop ist ein eher unscheinbarer Typ. Wäre er nicht 1,90 groß, würde er in einer Aktionärshauptversammlung eher untergehen. Sein Gesicht ist groß und oval, das Haar grau und vorne schon verschwunden, die Brille randlos. Man sieht ihm seine Leidenschaft für Schokolade eher an als die Leidenschaft für Golf und Basketball. Sein Bauch läßt ihn gemütlich aussehen.
Doch es gibt auch andere Facetten. Norman Rentrop ist ein Faktenfetischist, detailversessen. Wenn er erzählt, kann er auf den Wochentag genau schildern, was vor 30 Jahren passiert ist. „Norman Rentrop lernte die Notwendigkeit einer wirksamen Kontrolle schon ganz früh“, heißt es auf seiner Homepage. Es zahlte sich aus. Nicht zufällig zeigt der Pfeil in seinem Unternehmenslogo steil nach oben. Warren Buffet, einer der reichsten Männer der Welt, ist sein unternehmerisches Vorbild. „Ich versuche nie, an der Börse schnelles Geld zu machen. Ich gehe beim Aktienkauf davon aus, daß sie den Markt am nächsten Tag für fünf Jahre schließen könnten“, soll Buffet gesagt haben – Rentrop hat den Spruch in seine Zitatensammlung aufgenommen.
Und der Verlag wächst und wächst. Seit 2001 stieg die Zahl der Mitarbeiter von etwa 270 auf nun exakt 462. Die Verlagsgruppe mußte unlängst gar Räume in einem dritten Gebäude dazumieten, im ehemaligen Bundeskriminalamt. Die Unternehmensteile sind alle nur wenige Gehminuten voneinander entfernt in der ehemaligen Diplomatenstadt Bad Godesberg. Auch wenn der Verlag mit 33 Jahren noch verhältnismäßig jung ist, kommt er daher wie ein Familienunternehmen mit langer Tradition. Verwurzelung, Familiensinn – Rentrop kennt es nicht anders: Er ist in Bad Godesberg aufgewachsen, wohnte hier während er in Köln studierte, gründete hier seine Firma. Als Schüler ging er aufs örtliche, von Jesuiten geführte Kolleg, wie zuvor schon sein Vater. Sein Vater und auch sein Großvater waren Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Der Großvater brachte ihm die Welt der Aktien nahe; mit gerade mal zehn Jahren trug der Enkel sein Erspartes zur Bank und investierte. Die Karriere, die dann kam, war nur die logische Fortsetzung.
„Ich war zwölf, als mich mein Freund Peter Koch fragte, ob ich Lust hätte, mit ihm eine Schülerzeitung zu machen. Der Rektor war dafür, stellte aber eine Bedingung: „Macht nicht wieder 6000 Mark Schulden wie Eure Vorgänger!““ Rentrop lacht. Die Vorstellung, Schulden zu machen, muß für Norman Rentrop geradezu absurd sein. Schon als Sextaner war ihm klar, daß man nicht mehr ausgeben kann, als man einnimmt. Mit 15 schrieb er für die Bonner Rundschau. Sein erster Text war eine Reportage über ein Konzert in einem „Rockschuppen“ – das ist das Wort, das Rentrop benutzt, und das so überhaupt nicht zu ihm passen will. Als ein paar findige Menschen ein Anzeigenblatt für Bad Godesberg herausbrachten, rechnete der Steppke einfach mal so für sich nach und kapierte, daß so etwas machbar wäre. Ein Internatskollege in Eton, erinnert sich der Verleger, hatte mit 18 schon einen eigenen Antiquitätenladen auf der Hauptstraße, auch das hat ihn schwer beeindruckt.
Es wäre die Geschichte eines ganz normalen Unternehmers geworden, der mit einer guten Idee im Verlagsgeschäft schon jung zu relativ viele Geld gekommen ist. Wenn, ja wenn da nicht jenes Erweckungserlebnis im Hotelzimmer gewesen wäre – Mitte der 90-er in Baden-Baden, als er die Bibel zur Hand nahm und darin blätterte. Er entdeckte seinen Glauben wieder, die erste Wendung in seiner Geschichte.
Die zweite kam kurz vor seinem 40. Geburtstag, Rentrop befiel etwas, das er „Midlife-Krise“ oder ‚Die Frage nach dem Sinn des Lebens‘ nennt. Nie hätte er gedacht, daß ihm das passieren würde, ihm, der doch schon als Schüler sein Leben genau durchgeplant hatte. „Wofür stehe ich eigentlich jeden morgen auf“, fragte er sich nun. Und als ihm ein gläubiges Ehepaar ein Buch des Paters Anselm Grün in die Hand gedrückt hatte, beschloß er, die zweite Hälfte seines Lebens dem Verkündigen zu widmen. „Meine Gabe ist eben nicht, im Kirchenchor zu singen“, sagt Rentrop. „Jesus Christus hat gesagt: „Geht in die ganze Welt“. Das nehme ich wörtlich.“
Die Entscheidung war gefallen, er gab das Zepter ab. Ganz konsequent: Er verlagerte sein Büro in die Bürgermeistervilla; seine 100 Stunden-Woche – „immer rabotti, rabotti, rabotti“ – halbierte er. Aus dem Mann für alles an der Spitze wurde ein Aufsichtsratsvorsitzender. Seine engsten Mitarbeiter hatten damals nicht für möglich gehalten, daß er das tatsächlich durchziehen würde. Seit er sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen habe, sei er ruhiger geworden, sagt eine langjährige Mitarbeiterin. Norman Rentrop gründete Bibel-TV, stiftet Predigtpreise, sitzt im Programm-Ausschuß der Deutschen Bibelgesellschaft. Fragt man ihn nach der Vereinbarkeit von ethischem Handeln und dem in der freien Wirtschaft üblichen Streben nach Gewinnmaximierung, sagt Rentrop, er vertraue auf das Konzept der Gnade, Sünder seien wir schließlich alle. „Nicht, daß am Ende noch ein Heiligenbild entsteht!“
Er ist ein Geschichtenerzähler – er weiß, was eine Story lebendig macht: gute Storys müssen eben detailgenau geschildert werden. In erster Linie ist er der Erzähler seiner eigenen Legende. Dazu gehört auch die Anekdote über seine erste BWL-Vorlesung in Köln; 1500 Studenten saßen im Saal. „Mir war sofort klar“, erzählt Rentrop, „daß es hier keine Anwesenheitskontrolle gibt.“ Seine Schlußfolgerung: „Ich konnte dank einer ausgefeilten Mitschriften-Arbeitsgemeinschaft auch vom Verlagsbüro aus den Vorlesungsstoff verfolgen“.
Oft sind seine Geschichten auch Gleichnisse; zu seinen Standards gehört die Bibel-Episode über die ungleichen Schwestern Martha und Maria, die eine arbeitsam, die andere nur zu Jesus‘ Füßen. daß man auf seiner Website eine lange Abhandlung darüber findet, wieso unternehmens-spezifische Mythenbildung wichtig ist für Zusammenhalt und Erfolg des Betriebs, wundert nicht. „Ich bevorzuge es, die Welt mit Worten zu erklären, nicht mit mathematischen Formeln“, sagt er.
Was sich wiederholt: Es sind immer Erlebnisse und Impulse anderer, die ihn inspiriert und bewegt haben. Norman Rentrop ist jemand, der eine gute Idee erkennt, wenn sie ihm begegnet. Er nimmt diesen Anstoß dankbar auf als Basis für seine eigenen Produkte und tut nicht so, als wäre alles seine Idee gewesen. Er entdeckt etwas – und reagiert dann.
Ideen weiterzugeben, das ist sein Grundprinzip als Verleger. „Ich nenne es multiplizierte Beratung“, sagt Rentrop. Er ist dabei geblieben: Er gibt seine Erfahrungen weiter, in dem Glauben, sie helfen anderen ebenfalls. Ob das der „Redenberater“ oder „Der Personalberater“ ist, „Der Versandhausberater“ oder „Das Sekretärinnen-Handbuch“, „Bibel TV“ – seit Ende 2007 auch mit Jugend-Kanal – oder „100 Zitate für 2008“: Das Prinzip ist stets das Gleiche. Die schwarzen Drehstühle, in denen Rentrop mit seinen Vorstandkollegen sitzt, wenn sie die neuen Quartalszahlen besprechen, sind millimetergenau justierbar. Und in gewisser Weise entsprechen die Sessel der Logik seines Unternehmertums: er stellt die Sitzgelegenheit zur Verfügung und jeder kann sich seinen Stuhl so einstellen, wie es für ihn am besten paßt.
Wenn Norman Rentrop den Blick schweifen läßt, im Konferenzraum, dann sieht er Schuber an den Wänden, in denen die aktuellen Verlags-Newsletter stecken. Einer davon leuchtet, als würde ein bienengelbes Licht darauf fallen. Es ist ein Ableger des Bestsellers „Simplify your life“. Norman Rentrop weiß, wie das geht.
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